Archiv der Kategorie: Berichte

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Ein Wochenende JEF-Spirit

Brexit, das weltweite Erstarken des Rechtspopulismus, die autoritäre Neuordnung des politischen Systems in der Türkei – das Jahr, in dem die Europawerkstatt der Bundes-JEF das erste Mal seit 2014 wieder stattfand, ist kein einfaches für Europa. Vielleicht war sie deswegen umso wichtiger. Knapp 70 Jugendliche – nicht nur JEFer*innen – aus ganz Deutschland und auch aus Österreich und Frankreich setzten sich am ersten Dezemberwochenende in Berlin mit genau diesen Herausforderungen, vor denen wir als überzeugte Europäer*innen stehen, auseinander. Auch Hamburg war vertreten: Für uns durfte Neumitglied Tobias Niemeyer im JEF-Spirit schwelgen. Aufkommen tat dieser während eines bunten Programms: Beginnend am Freitag mit einem Szenarien-Workshop zu Zukunftsperspektiven der EU in Kooperation mit dem Dahrendorf-Forum, über die eigentliche „Un-Conference“ am Sonnabend, bei der von interessanten Europapolitiker*innen bis hin zu „einfachen“ Teilnehmenden Workshops zu verschiedensten Themen angeboten wurden, endend mit einer Projektwerkstatt am Sonntag, auf der konkrete Projekte geplant wurden. Zwischendurch blieb viel Zeit für das gegenseitige Kennenlernen und Vernetzen. Als dann abends auf der Rückfahrt nach Hamburg noch die Eilmeldung mit dem Wahlergebnis aus Österreich auf dem Handy auftauchte, war das Europa-Wochenende perfekt.

JEF-Landesvorsitzender Daniel bei der Jürgen-Echternach-Stiftung

Am 16. November diskutierte unser Landesvorsitzender Daniel Kosak auf Einladung der Jürgen-Echternach-Stiftung für Bildung und Demokratie im Ludwig-Erhard-Haus an der Alster mit dem MdB Marcus Weinberg, dem CDU-Landesvorsitzenden Roland Heintze und den StipendiatInnen der Stiftung über die Zukunft Europas.

Alle waren sich einig, dass Europa angesichts des Brexits, europakritischer Bewegungen in vielen Staaten und einer angespannten Weltlage vor großen Herausforderungen steht. Daniel machte deutlich, dass man gerade junge Menschen wieder für Europa begeistern kann, wenn nicht nur auf die bedeutsamen Errungenschaften der Vergangenheit wie die Reisefreiheit verwiesen wird, sondern man eine optimistische Vision für die Zukunft Europas anbietet. Beispielhaft nannte er die Weiterentwicklung der EU-Kommission zu einer echten vom Parlament gewählten Europäischen Regierung, um die demokratische Verantwortlichkeit der Union zu verbessern. Nur so könne es einen programmatischen Streit um die Gestaltung von Digitalisierung, Zuwanderung oder Energiepolitik geben. Dann hätten die WählerInnen die Möglichkeit, sich zwischen klaren Alternativen zu entscheiden sowie im Zweifelsfall auch einmal die Regierung abzuwählen, ohne gleich die EU grundsätzlich in Frage stellen zu müssen.

Einigkeit herrschte unter den Diskutierenden, dass es auch einer Stärkung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik bedarf. Die JEF-Hamburg haben sich sehr über die Einladung durch die Echternach-Stiftung gefreut und werden weiter im konstruktiv-kritischen Dialog mit VertreterInnen von anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen und Parteien für die europäische Idee eintreten.

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This is not the season to stay silent

Als am Mittwochmorgen das Wahlergebnis endgültig feststand, wurde es nicht nur in Deutschland mit Überraschung, teilweise Fassungslosigkeit aufgenommen. Donald J. Trump wird der 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sein.

Nach einem heftigen und schmutzigen Wahlkampf voll von sexistischen, rassistischen und anderweitig deplatzierten Äußerungen müssen wir uns als Europäer*innen fragen, wie wir nun reagieren. Donald Trump hat während seiner Kampagne zur Gewalt gegen Demonstrant*innen aufgerufen, die Inhaftierung politischer Gegner*innen gefordert, kritischen Journalist*innen juristische Verfolgung angedroht und die Akzeptanz demokratischer Entscheidungsprozesse in Frage gestellt. Trumps vergleichsweise gemäßigte und versöhnliche Rede nach seinem Wahlsieg lässt zwar hoffen, aber dennoch wird es schwierige Themen geben. Er hat eine protektionistische und isolationistische Agenda. Er hat Zweifel daran genährt, ob die USA ihrer Beistandspflicht im Falle eines Angriffs auf einen europäischen NATO-Partner nachkommen würden. Er will den Welthandel beschränken.  Auch europäische Politiker*innen wie Angela Merkel haben ihren Teil an Beleidigungen erfahren. Er leugnet den Klimawandel und wünscht sich mehr Nationen mit Atomwaffen. Mit Trump als Präsidenten wird die Handelspolitik zwischen der EU und den USA sicherlich nicht einfacher. Und dass die EU in Fragen der Sicherheitspolitik mehr Eigenständigkeit erlangen muss, um den Herausforderungen der Zukunft gerecht zu werden, wird immer mehr zur Gewissheit. Trumps Aussagen und Positionen sind besorgniserregend. Die nächsten Monate und Jahre werden zeigen, wie viel davon leeres Gerede war und welche Taten er folgen lässt.

Aber viel wichtiger ist die Frage nach dem Warum. Wie konnte es zu diesem Erfolg kommen? Wie kann es ein Wahlergebnis geben, das eine Mehrheit der Europäer*innen und einen großen Teil der Amerikaner*innen mit Ungläubigkeit, ja Entsetzen zurücklässt? Auch in Deutschland und Europa sind die rechtspopulistischen Kräfte auf dem Vormarsch. Und auch bei uns wird der Riss in der Gesellschaft immer größer, die Ablehnung und das Unverständnis nehmen zu, das politische Klima wird immer brutaler.

Der amerikanische Wahlkampf hat einmal mehr gezeigt, dass es in breiten Teilen der Bevölkerung einen schwerwiegenden Vertrauensverlust in die politischen Eliten gibt. Viele Menschen haben den Eindruck, dass finanzstarke „special interests“ einen privilegierten Zugang genießen, während von den Folgen der Globalisierung negativ betroffene Regionen etwa im mittleren Westen der USA abgehängt und im Stich gelassen werden. Donald Trump hat diese Probleme aufgegriffen, und sie mit seinen einfachen rassistischen Antworten und seiner menschenverachtenden Rhetorik verknüpft. Der US-Wahlkampf hat uns unmissverständlich klar gemacht, dass diese Probleme real sind und dringend angegangen werden müssen.

Und diese Probleme haben wir auch in Europa. Viele Menschen sehen die Europäische Integration als Verlust ihrer Souveränität; ihre Stimme werde weniger gehört, sie sei weniger wert. Aber ein funktionierendes Europa sollte allen Wähler*innen mehr Macht auf mehr Ebenen geben. Das ist die Idee des Föderalismus. Aber dafür muss sich Europa radikal verändern. Es muss demokratischer und transparenter werden.

Im Zeitalter einer weltweit vernetzten Wirtschaft, grenzüberschreitender Umweltrisiken und global agierender krimineller Organisationen und Terrorist*innen kann Souveränität im Sinne politischer Handlungsfähigkeit nicht durch einen Rückzug in den Nationalstaat, sondern nur durch eine transnationale Demokratie mit einer starken international vernetzten Zivilgesellschaft gewahrt werden. Damit alle Menschen die Globalisierung mitgestalten und an ihren Errungenschaften teilhaben können, müssen wir ihnen eine Stimme geben. Ist das nicht Föderalismus? Lasst uns in Europa anfangen.

Was können wir tun? Wir als JEF und als junge politisch interessierte und engagierte Bürger*innen, ja als Einwohner*innen auf diesem Planeten müssen ausbrechen aus unserer Blase, wir müssen raus in die Welt und versuchen, die Probleme zu verstehen. Wir müssen Arroganz vermeiden, und wir müssen das Establishment und die gängigen Konventionen in Frage stellen. Raus aus dem Elfenbeinturm. Europa ist kein Elitenprojekt! Wir dürfen die roten Linien der Menschenfeindlichkeit nicht überschreiten und müssen jede*n zur Rede stellen, der dies tut. Wir müssen den Konflikt und die Kontroversen wagen. Fairer (!) Konflikt und Meinungsvielfalt sind für die Demokratie ebenso wichtig wie Konsens und Kompromiss. Hillary Clinton hat auch deshalb verloren, weil jede ihrer Aussagen wirkt, als wäre sie auf bestimmte Wählerschichten zugeschnitten. Authentizität und starke Meinungen sind wichtig in der Politik. Aber man muss immer bereit sein, sie zu hinterfragen und zu ändern.

Es gibt viel zu tun, aber es gibt auch unendlich viele Möglichkeiten. Jede*r kann sich engagieren. Ob bei den Jusos oder in der JU, bei den JuLis, der Grünen Jugend oder bei solid. Bei Greenpeace oder dem NABU. Amnesty, Attac, den Transatlantikern, Hanseatic Help, der Jugendfeuerwehr oder dem Schrebergartenverein. Für Geflüchtete oder für Umweltschutz; für Steuergerechtigkeit oder für Menschenrechte. Hauptsache, man steht auf vom Rechner und steht ein für seine Überzeugungen.

Dass es so viele junge Menschen gibt, hier bei uns in der JEF und überall auf der Welt, die dies bereits tun, lässt uns auch an so einem Tag hoffnungsvoll zurück.

Euroschnack Free Interrail & Bericht BuKo

Wo unsere Eltern und Großeltern noch stundenlang im Stau standen, haben wir heute freie Fahrt: Grenzkontrollen gibt es im Schengen-Raum seit 1995 nur noch stichprobenartig. Oft merken wir nur dank einer Nachricht unseres Mobilfunkanbieters, dass wir soeben das Land gewechselt haben. Doch Reisen kostet Geld – nicht jeder junge Mensch kann es sich leisten, den Kontinent zu erkunden. Die JEF fordern: Das soll sich ändern! Auf dem Bundeskongress 2015 schlug der Verband vor, allen Europäer*innen zum 18. Geburtstag ein kostenloses Interrail-Ticket zu schenken. Auch die europäische Öffentlichkeit und das Europäische Parlament diskutieren inzwischen darüber. Wir Hamburger*innen haben uns bei unserem allmonatlichen Euroschnack am 12. Oktober gefragt: Was ist dran an der Idee? Wie lässt sich das umsetzen? Wie kann die EU das finanzieren? Wird es überhaupt genutzt werden – auch von denen, die sonst vielleicht nicht reisen würden? Es wurde lebhaft diskutiert und schnell kamen wir darauf zu sprechen, ob so ein Ticket nicht tatsächlich helfen könnte, wieder mehr Menschen für Europa und die EU zu begeistern. Zudem überlegte die Runde, inwieweit Schüler- und Lehreraustäusche, Schulprojekte und Planspiele eben nicht nur in Gymnasien und an Universitäten sowie eine bessere Kommunikation von Austauschprogrammen gerade auch für Auszubildende hier helfen könnten. Auch die Idee, ähnliche Programme für Rentner*innen aufzulegen, fand großen Anklang. Konsens war: Wir brauchen ein offenes Europa und wir müssen etwas dafür tun, damit die EU-Bürger*innen es kennenlernen können!

 

Euroschnack: Gendergerechtigkeit durch Europa?

Alltagssexismus, Frauenquoten oder Gender-Pay-Gap: Fragen nach dem Verhältnis der Geschlechter sorgen regelmäßig für kontroverse und teils emotional geführte Diskussionen. Bei unserem Euroschnack am 8. Juni haben wir wie immer versucht, eine europäische Perspektive auf diese Themen zu gewinnen. Was hat die EU-Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter bewirkt? Welche Rolle spielt insbesondere das Europäische Parlament für Veränderungen zugunsten von Gleichberechtigung? Warum hat Deutschland die Istanbul-Konvention des Europarates noch nicht ratifiziert? Welche Handlungsoptionen hat (europäische) Politik überhaupt und wo kommt man nur durch zivilgesellschaftliche Änderungsprozesse weiter? Wie stehen wir JEFer*innen zum  Feminismus? Schnell zeigte sich, dass auch bei uns die Meinungen bisweilen weit auseinandergehen, aber darüber dass zur Verwirklichung von Gendergerechtigkeit noch viel getan werden muss und wir uns weiter mit diesem Thema beschäftigen wollen, gab es einen breiten Konsens.

So war Siggen 2016 – Europaakademie

Ende April war es endlich wieder soweit: Im vermutlich schönsten Semianrzentrum Europas fand unsere legendäre Europa-Akademie statt! Wenige Minuten vom Sandstrand der Ostsee und mit Blick auf ein historisches Landgut haben wir 3 Tage über die Thematik des Euroskeptizismus diskutiert. In diesem Text haben wir die Highlights für euch zusammengefasst. Noch mehr Bilder vom Wochenende findet ihr hier.

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Block I: Theorie

Kamingespräch I: Christian Wölm, ver.di

Am Freitag, den 22. April begann das Seminar nach einer Einführung in die Thematik von Jasmin König mit einem Kamingespräch. Eingeladen war Christian Wölm von der ver.di-Jugend in Lübeck, der von seinen Erfahrungen mit Gewerkschaftsarbeit auf europäischer Ebene berichtete. Insbesondere ging es um Herausforderungen internationaler Gewerkschaftsarbeit und um gewerkschaftliche Perspektiven auf die Europäische Union. Während Wölm durchaus die gewerkschaftliche Unterstützung der europäischen Idee betonte, äußerte er auch Kritik an neoliberalen Policies.

Christian Wölm im Gespräch mit der JEF im gemütlichen Kaminzimmer des Gutes Siggen

Christian Wölm im Gespräch mit der JEF im gemütlichen Kaminzimmer des Gutes Siggen

Die TeilnehmerInnen diskutierten intensiv darüber, ob Gewerkschaften mit anti-neoliberaler Polemik gegen Europa die Einflussmöglichkeiten von BürgerInnen durch Wahlen sowie andere Reformmöglichkeiten verschleierten. Unter anderem wurde gefordert, von gewerkschaftlicher Seite mehr konstruktive Alternativvorschläge anzubieten und die Menschen zur Europawahl und einem europapolitischen Engagement zu motivieren. Gerade in der Flüchtlingskrise könnten Gewerkschaften eine zentrale Rolle für die Integration von ImmigrantInnen in die Arbeitsmärkte und im Kampf gegen einen europäischen Rechtsruck spielen. Aber auch allgemeine Arbeitskämpfe sowie Tarifverhandlungen auf europäischer Ebene wurden erörtert. Am Ende des Abends kam der Gewerkschaftsjugendsekretär zu dem Schluss, eine stärkere Europäisierung von Gewerkschaften solle unbedingt diskutiert werden. Umgekehrt hatten aber auch die TeilnehmerInnen einiges Neues über Gewerkschaftspositionen und die Funktionsweise gewerkschaftlicher Gremien auf europäischer Ebene gelernt. Dass es etwa europäische Betriebsräte gibt, die auf Resolutionen der EU zurückgingen, war den meisten TeilnehmerInnen etwa völlig neu.

Vortrag von Dr. Oliver Lauenstein: Krisen, Konflikte, Identitäten – Sozialpsychologische Grundlagen des Euroskeptizismus

Am Samstagmorgen präsentierte uns Dr. Oliver Lauenstein, derzeit Referent im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, einen sozialpsychologischen Rahmen für die steigende Attraktivität euroskeptischer Parteien und Mobilisierungsformen euroskeptischer Politiker.

Der Vortrag begann mit einer Einführung in die Theorie der sozialen Identität, welche sich mit dem Gefühl von Gruppenzugehörigkeit befasst. Gruppenzugehörigkeit kann positive Auswirkungen haben, z.B. kann es unserer sozialen Umwelt einen Sinn verleihen oder auch helfen mit Problemen und Stress umzugehen. Gruppenzugehörigkeit kann aber auch Konflikt-, Abgrenzung-& Konformitätspotenziale bedingen.

Auf dieser Grundlage wurde dann zunächst die europäische Identität im Positiven besprochen. Für die TeilnehmerInnen bedeutet „europäische Identität“ u.a. sich frei in Europa zu bewegen, Demokratie sowie das Gefühl, zwei Identitäten zu haben. In der Tat gibt es Studien, die zeigen, dass europäische Identität als komplementär zur nationalen Identität gesehen werden kann. Hier ist allerdings das Vereinigte Königreich eine Ausnahme: dort wird europäische Identität eher als Konkurrenz zur nationalen Identität wahrgenommen.

Im zweiten Teil wurden drei mögliche Ursachen des Euroskeptizismus besprochen:

  • Politischer Zynismus: Mangelndes Vertrauen in die Institutionen, welches z.B. durch das erfolgreiche Einsetzen von „politischen Hinweisreize“ (cues) und die Mobilisierung von Gruppenidentitäten begünstigt werden kann
  • Nationalismus: Bedrohung der nationalen Identität
  • Utilitarismus: Bedrohung des eigenen Nutzens durch die EU

Dabei kamen wir immer wieder auf Gruppenidentitäten zurück, die sich euroskeptische Parteien zu Nutze machen. Zum Beispiel beinhaltet die Politisierung von Sachverhalten das Feststellen eines geteilten Missstands und die Schuldzuschreibung an einen externen Widersacher.

Bei der anschließenden Diskussion wurde unter anderem thematisiert, wie unsere Zukunftsvision von Europa aussieht und ob diese eine ähnliche Identität wie Nationalstaaten beinhaltet. Dies ist für einige eine schöne Vorstellung, während andere darin auch Herausforderungen sehen, nicht zuletzt eine Begünstigung von euroskeptischen Parteien.

 

Block II: Praxis

Gruppenarbeiten: Gründe/Ursprung für Euroskeptizismus

In Kleingruppen sollten die Teilnehmer im Folgenden die Rolle verschiedener Faktoren bei der Entstehung von Euroskeptizismus erarbeiten. Jede Gruppe beschäftigte sich dabei mit einem anderen möglichen Einflussfaktor. Die Themenauswahl bestand aus der Rolle der Medien, des Demokratiedefizits, der europäischen Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik sowie der Angst vor dem Verlust des Sozialstaates sein. Aus dem Organisationsteam bereitete pro Gruppe je eine Person Materialien zur Diskussion vor und leitete die Gruppendiskussion an.

Danach stellten die Gruppen ihre Ergebnisse vor, oftmals gehörten dazu auch bereits Lösungsvorschläge. Dabei war thematisch so einiges vorhanden: eine Reform des Wahlrechts bis hin zu einem europäischen Fernsehsender für Telenovelas wurde so einiges diskutiert. Klar wurde dabei, es kann von verschiedensten Blickwinkeln kritisiert werden: Die Europäische Union muss ihre Politik besser vermitteln, um aufzuzeigen dass sie kein zentralistischer Staat werden will. Andererseits können bestimmte Policy Inhalte wie die Migrations- und Fluchtgesetze kritisiert werden. Insgesamt hielten wir jedoch fest, dass es der EU gut tun würde, wenn öfter über ihre verschiedenen Policies und deren Urheber diskutiert würde, als über die EU als ein großes Ganzes.

Föderalismus – Urprung von Euroskepitzismus der ein Lösungskonzept?

Nach einer kleinen Pause am Meer, ging es am Nachmittag mit Simon Bransden von der Canterbury Christchurch Universität weiter. Er refertierte darüber, welche Rolle Föderalismus bei der Entstehung von Euroskeptizismus spielt. Wie es bei einer so komplexen Frage zu erwarten war, gibt es keine eindeutige Antwort. Zuerst beschäftigten wir uns mit ihm mit der Frage, was Föderalismus eigentlich ist und hielten eine Definition fest die wir in der Folge nutzen wollten. Als zentrale Punkte hielten wir dabei die Aufteilung von Entscheidungskompetenzen auf verschiedene Ebenen und den die Definition von Föderalismus als Prozess fest. Der Europäischen Union sprachen wir in Folge dessen föderale Charakterzüge zu.

Es war uns wichtig zu sehen, dass Föderalismus kein fest stehendes Konstrukt ist, sondern eine stetige Entwicklung, die sich in jedem konkreten Fall unterschiedlich entwickeln kann. Deshalb gibt es auch kein klares Ziel ob zentralisiert oder dezentralisiert werden muss, beides ist möglich. Die Europäische Union zielt auf eine weitere Integration ab, wodurch diese zu erreichen ist, gibt die allgemeine Definition des Föderalismus jedoch nicht her. Es kommt immer auf den einzelnen Bereich, die jeweiligen Umstände an.

Diese Flexibilität schafft natürlich ein gewisses Maß an Komplexität. Dieses kann zu Problemen in der Vermittlung des Systems führen. Gerade wenn eine Integration nur geschaffen wird, weil äußere Zwänge sie erfordern, sie jedoch gar nicht gewollt ist von den Mitgliedern. Doch genau diese Probleme soll dieselbe Flexibilität selber lösen können: Das System ist nicht starr, sondern kann sich bei Problemen und Hürden anpassen in dem es Kompetenzen wiederum verschiebt.

Die Europäische Union möchte die verschiedenen Kulturen, die sie vereint nicht einschränken, sondern sie möchte nur Brücken zwischen ihnen schlagen. Genau dies ist das Ziel des Föderalismus: Ein Gleichgewicht zu schaffen zwischen Einheit und Diversität. Föderalismus kann also eine Lösung sein, wenn er stets flexibel auf die aufkommenden Herausforderungen reagiert.

Kaminabend: Brexit

In der Runde ging es Abend vor dem Kamin weiter mit der Diskussion zu einem möglichen Brexit. Mit Simon hatten wir dabei natürlich den perfekten Referenten bei uns. Nach einem kurzen Statement seinerseits, wie er den Wahlkampf im Vereinigten Königreich derzeit empfindet und welches Ergebnis er erwartet, wurde die Diskussion in die Gruppe geben.

Dabei wurde klar, dass viele von uns nicht glauben, dass das Vereinigte Königreich tatsächlich austritt. Dabei argumentierten viele mit wirtschaftlichen Nachteilen, die daraus entstehen würden und der Rationalität bei den letzten Referenden in Großbritannien. Dazu konnten gerade unsere Rückkehrer aus Edinburgh einiges beitragen. Eine Woche zuvor waren sie in Edinburgh, um für die Stay In Kampagne auf die Straße zu gehen und sich mit Wissenschaftlern und Kampagnenmanagern zu unterhalten. Dabei wurde diskutiert welche Folgen ein möglicher Austritt für Schottland haben könnte, wie wahrscheinlich danach ein eventuelles neues Schottland-Referendum wäre, aber auch warum die Schotten sich beim letzten Referendum gegen den Austritt entschieden haben.

Dieses Wissen wurde nun mit der Gruppe geteilt (mehr siehe unser Bericht zur Edinburgh Exkursion) und diskutiert. Dabei wurde insbesondere die Frage besprochen, ob die Wahlentscheidung trotz eines stark emotional geprägten Wahlkampfes am Ende rational geschehen würde.

Wer von uns Recht hatte, werden wir ja alle am 23. Juni sehen 🙂

Block III: Was können wir tun?

Diskussion: Welche Berührungspunkte haben wir mit Euroskeptizismus?

In der anschließenden Diskussion beschäftigten wir uns mit der Frage, mit welchen Arten von Euroskeptizismus wir in Berührung kommen und wie wir darauf am besten reagieren sollten. Ein besonders kontroverser Aspekt war die Frage, ob harten EuroskeptikerInnen aus strategischen oder inhaltlichen Gründen ein gewisses Verständnis entgegengebracht werden sollte oder nicht. Zugleich ging es darum zu klären, wie euroskeptisch im Sinne eines konstruktiven Veränderungswillens die JEF selbst tatsächlich ist.

Im nächsten Schritt ging es um die Frage, wie wir auf Euroskeptizismus reagieren können, der für uns inakzeptabel ist. Da unsere ReferentIn aus gesundheitlichen Gründen abgesagt hatte, verwendeten wir Inputs zu rhetorischen Strategien sowie eine interaktive Methode, um überzeugende Argumentationsweisen gegenüber EuroskeptikerInnen zu entwickeln. Zunächst wurden dazu Stammtischparolen oder skeptische Argumente gesammelt, denen wir im Alltag oder in der Mediendebatte häufig begegnen. Danach machten wir uns in Zweierteams daran, die jeweiligen Argumente anhand rhetorischer Mittel und Faktenchecks auseinanderzunehmen. Am Ende präsentierte jede Gruppe ihre zwei Statements sowie die Gegenreaktion, was auf der einen Seite für eine aufgelockerte Atmosphäre sorgte, andererseits aber auch das Wissen der TeilnehmerInnen aus den verschiedenen Bereichen zusammenbrachte. Auf diese Weise konnten sich die TeilnehmerInnen Argumentationsweisen voneinander abschauen. Am Ende dieses Parts reflektierten wir gemeinsam, welche Reaktionen besonders überzeugend wirkten. Wichtig war an dieser Stelle aber auch die Frage, ab wann die Grundwerte in der Diskussion so weit auseinanderliegen, dass wir als JEF nicht mehr in den Dialog mit einer einzelnen Person gehen sollten. Wenn etwa extremer internalisierter Nationalismus oder gar Rassismus im Spiel seien, wäre es besser, die Diskussion mit einer selbstbewussten Benennung der eigenen Werte zu beenden und die Energie auf Personen zu konzentrieren, deren Meinung noch schwankt.

Kontroverse Debatte im Seminarraum am letzten Tag der Europa-Akademie

Kontroverse Debatte im Seminarraum am letzten Tag der Europa-Akademie

Abschlussdiskussion

In der Abschlussdiskussion ließen wir das Wochenende noch einmal Revúe passieren und ermöglichten eine relativ freie Diskussion. Themen und Fragen, die noch auf dem „Ideenparkplatz“ standen oder aus dem Interessencluster zu Beginn des Seminars übrig waren, konnten hier ihren Platz finden.

Im Zuge einer Debatte über die beste Art und Weise der Europäisierung konzentrierte sich die Gruppe auf die Aspekte Partizipation, Bildung, die Zukunft Europas, sowie die Rolle von Gewerkschaften und Parteien. Wichtig sei, dass der Prozess der Europäisierung aus der Gesellschaft kommen müsse, weshalb sich die Frage stelle, ob eher reformiert oder etabliert werden solle. Für eine weniger elitäre Ausrichtung seien Parteien und Gewerkschaften wichtige Multiplikatoren politischer Bildungsarbeit. Ob es sich dabei um Europaparteien oder Dachparteien und europäische Gewerkschaften handeln solle, wurde unterschiedlich bewertet. Zentral war jedoch für die meisten TeilnehmerInnen die Etablierung grenzüberschreitender Wahlkämpfe.

Für die zukünftige Beschäftigung mit Euroskeptizismus wurden zwei wichtige Aspekte genannt: Zum einen sollte es eine Auseinandersetzung mit den Alternativvorschlägen der EuroskeptikerInnen geben, zum anderen sollte insbesondere der Euroskeptizismus in Parteiprogrammen unter die Lupe genommen werden.